Die Handytasche

22.03.2008

Ein recht interessantes Phänomen beobachte ich bei mir - genauer gesagt - bei meiner Schreibaktivität in diesem Blog: Immer wenn ich gerade einen Artikel online gestellt habe, fallen mir mindestens drei Themen ein, über die ich sofort einen weiteren Artikel schreiben könnte. Doch da ich gerade einen neuen Artikel eingetippt habe, beginne ich natürlich keinen weiteren. Aber so mit der Zeit, wenn ein oder zwei Wochen vergangen sind, dann wäre es wieder gut, mal weiterzuschreiben. Jedoch dann fehlen mir plötzlich die Themen.

Na egal! Bei meinem letzten Artikel wollte ich eigenlich über Handys schreiben. Dann ist es ein Rückblick auf die Anfangsjahre der Browser geworden und den Handy-Teil habe ich komplett gestrichen. Aber vielleicht gelingt es mir diesmal, beim Thema Mobilfunk zu bleiben.

Es ging beim letzten Mal um die Uni - bzw. um die Tatsache, daß bestimmte gesellschaftliche Prozesse an einer Universität zeitlich vorverlegt passieren. Der Siegeszug der Handys waren eines davon.

Irgendwann - etwa im Jahr 1996 brachte die Firma e-Plus spezielle Handytarife für Studenten heraus, die sich dadurch auszeichneten, daß man für sehr wenig Geld so ein Mobilfunkgerät bekam. Wenn man bedenkt, daß Handys um 1994-95 noch etwa 2000 DM (rund 1000 Euro) kosteten, waren die 2-Jahre-Vertäge für Monatsbeiträge um die 20-30 DM ein Spottpreis - immernoch teure im Vergleich zu heute, besonders wenn man die zusätzlich anfallenden Gesprächsgebühren berücksichtigt.

Aber ich will nicht über Tarife schreiben. Nach kurzer Zeit hatten sich alle Informatik-Studenten so ein Handy zugelegt. Den anfänglichen Run habe ich verpaßt. Erst bei eine Studentenparty fehlten die Steckdosen, weil jeder sein Handy aufladen mußte. Denn die Akkulaufzeiten der damaligen Geräte lagen um die 1-2 Tage. Erst da bemerkte ich den Umbruch ins Zeitalter des Überall-Erreichbarseins.

Plötzlich hatte jeder ein Handy (so schien es zumindest), denn die Geräte lagen überall rum, weil sie ständig wieder aufgeladen werden mußten. Dann trudelten auch schon die ersten Berichte ein, daß es Verkehrsunfälle gegeben hatte und man dank des neuen Kommunikationsmittels sofort Polizei und Rettunsgdienste informieren konnte. Zumindest in dieser Hinsicht war ein deutlicher Fortschritt erkennbar.

Nun passieren Unfälle relativ selten. Wie soll man im Alltag darauf hinweisen, daß man ein Handy hat? Solange es in der Tasche liegt, bekommt das niemand mit. Dagegen war Anrufe - die durch Klingeln auf das tolle Gerät aufmerksam machen - waren auch relativ selten. Individuelle Klingeltöne waren noch gar nicht erfunden. Nein! Um sich als stolzer Besitzer eine dieser technologischen Wunderwerke und Statussymbole des Technologiezeitalters zu outen, mußte man das Handy offen trage. Dazu wurden die Handytaschen erfunden - kleine Lederbeutel mit Klarsichtfolie, die man mit Gerät am Gürtel trug. Das war zwar ziemlich unpraktisch, weil sich die Handy im Fall eines Anrufs nur schwer aus der Tasche herausholen ließen. Aber Anrufe waren - wie bereits bemerkt - selten und teuer, so daß man ungestört sein Handy spazieren tragen konnte und seine Technik-Affinität damit bewies.

Dass Handy-Taschen eigentich ziemlich affig aussehen - für diese Erkenntniss brauchte die Uni-Studentenschaft weniger als einen Sommer. Da Mitte 1997 (fast) jeder ein Handy besaß, war es inzwischen wieder lässig, kein Handy zu besitzen oder dessen Besitz zumindest nicht offen zu zeigen. Ziemlich schnell waren die Handygürteltaschen wieder verschwunden - zumindest im Dunstkreis der Alma Mater.

In außerakademischen Geschellschaftsschichten hatten Handytaschen eine weitaus längere Lebensdauer. Im Jahr 2002 kam mal ein ziemlich wichtigtuerischer Typ in der Firma meines damaligen Arbeitgeber zu mir. Er war über 50 und hatte eine runden Glatzkopf. Am Gürtel trug er offen sichtbar sein Handy. Ich vermute, daß er mit diesem Accessoir besonders jung und dynamisch erscheinen wollte. Vermutlich hat er nicht erfaßt, dann er genau das Gegenteil damit erreicht hat, denn den entsprechenden Trend hatte er etwa um sechs Jahre verpasst.

Selbst später habe ich noch Leute mit Handygürteltaschen gesehen. Ich weiß nicht, ob bei denen die Entwicklung so verzögert angekommen ist oder es sich bereits um einen Retro-Trend gehandelt hat. Vielleicht waren es auch solche Leute, denen aktuelle Modeerscheinungen schlicht egal sind und die nur eine Handytasche benutzen, weil sie das Gerät sonst verlegen würden.

Die Sache mit den Handygürteltaschen hatte sich irgendwann erledigt. Findige Accesoire-Designer statteten Rücksäcke und Umhängetaschen mit kleine Handytäschchen aus. Selbst diese Aufbewarungsmöglichkeiten konnten den Trend zu immer kleineren Handys und damit schwindende Notwendigkeit von separaten Taschen verhindern.

Zum Glück gibt es im Umfeld der Mobiltelefone noch viele gesellschaftliche Skurrilitäten zu berichten. Doch darüber schreibe ich in weiteren Artikeln.