... oder der virtuelle Lebenslauf
Ja, das wird schon wieder ein Artikel über Google! Nein, diesmal erzähle ich eine richtige Geschichte - also kein Sinnlos-Artikel!
Die konkrete Episode verlief etwa so: Eine gute Bekannte von mir war auf der Suche nach einem neuen Trainingspartner für eine dieser trendigen Sportarten wie Squash, Tennis oder Synchronschwimmen, die man halt schlecht alleine üben kann. Glücklich, endlich ein geeignetes Gegenüber gefunden zu haben, unterhielten sich die beiden über ihre weiteren Interessen. Daraufhin meinte jener Mann zu meiner Bekannten "Du tanzt auch Tango?" Sie war recht überrascht, woher er diese doch recht persönliche Info erfahren hat. Seine Erklärung war simpel und ist nach meiner Einleitung unschwer zu erraten "Ich habe bei Google deinen Namen eingegeben."
Diese Geschichte ist wenig überraschend. Ich weiß nicht, seit wievielen Jahren ich die Namen sämtlicher neuen Bekanntschaften bei Google recherchiere. Einige wenige Leute sind überhaupt nicht auffindbar. Aber über viele Personen kann man viele nützliche Dinge erfahren und manchmal sogar ein Foto finden. Wenn man jemand aus den Augen verloren hat, dann kann man sogar manchmal herausfinden, wo sich der-/diejeinige gerade aufhält und was er/sie so treibt.
Aber meine Bekannte war trotzdem erstaunt - und gar nicht mal angenehm - daß ihr neuer Trainigsparter (A) überhaupt ihre Spuren im Netz verfolgt hat und (B) dabei so vielsagende Infos zu Tage gefördert hat. Nun muß ich zugeben, daß dieser Erfolg zum Teil auf meiner Vorarbeit beruht. Und zwar folgendermaßen ...
Mitte des Jahres 2005 gab es einige Querelen im Erfurter Tangoverein. Die Details dazu möchte ich der geneigten Leserschaft ersparen. Als unangenehme Folge dieses üblen Hick-Hacks verlor der Verein seine Domain unter welcher er bisher seinen Webauftritt hatte. Zugegeben war der Webmaster bis dato eher lausig seinen Verpflichtungen zu einer aktuellen Vereinspräsentation nachgekommen, aber die Domain war schon ein paar Jahre alt und innerhalb der Tango-Websites sehr gut verlinkt. Die Domain hatte ihren Wert und der war nicht nur ideell.
An dieser Stelle traten einige Engagierte auf den Plan, die der festen Überzeugung waren, daß man mit der neue Domain www.typisch-tango.de und einer neue Webpräsentation innerhalb kurzer Zeit etwas Besseres aufziehen kann. Von diesen Engagierten bin im wesentlichen ich als Webmaster übrig geblieben, aber das Ziel habe ich erreicht. Etwa zwei Jahre später - September 2007 - stand typisch-tango.de bei den hart umkämpften Suchbegriffen "tango" und "erfurt" auf Platz 1. Das war ein erster Achtungserfolg bei meinen neuen Hobby "SEO"=Search-Engine-Optimisation (Warum Computerfreaks so bescheuerte Hobbies haben, möchte ich jetzt nicht diskutieren!)
Als umsichtige Webmaster von typisch-tango.de versuche ich nicht nur die aktuellsten Infos über den Tango in der Region zusammenzutragen, sondern auch das Engagement der Vereinsmitglieder lobend hervorzuheben. Bei passender Gelegenheit nenne ich gerne die vollen Namen der Aktivisten. Mir ist natürlich bewußt, daß in Verbindung mit der guten Platzierung von typisch-tango.de die betreffenden Person leicht auffindbar wird. Aber - ehrlich gesagt - das sehe ich als Vorteil für die Person. Engagement in gemeinnützigen Vereinen deutet eine aktive und sinnvolle Freizeitgestaltung hin und macht sich dementsprechend gut auf Lebensläufen oder bei Vorstellungsgesprächen. Da Personalverantwortliche nicht nur die Papiere prüfen, sondern seit einiger Zeit den Bewerber über Netz-Recherchen auf den Zahl fühlen, ist es natürlich vorteilhaft, wenn sich die Angaben in der Vita über die Suchmaschine entsprechend verifiziert werden können.
Vor einiger Zeit ist in den Medien über eine neue Geschäftsidee berichtet worden und die US-amerikanische Firmen, die sich darin versuchen. Die Idee beruht auf dem Bestreben mancher Meschen, ihre Spuren im Netz zu bereinigen. Anscheinend gab oder gibt es Leute, die etwas zu gedankenlos im Foren und oder Chat-Rooms allzu peinliche Bemerkungen hinterlassen haben und sich nicht bewußt waren, daß diese Daten nach Jahren noch auffindbar sind. Zugegeben muß man schon ziemlich blöd sein, um unter dem realen Namen irgendwelchen Mist zu verbreiten. Aber offensichtlich sind es deren so viele, daß es für die Geschäftsidee der "digitalen weißen Weste" reicht.
In diesem Zusammenhang ist mir eine ähnlich gelagerte Geschäftsidee eingefallen. Die Beseitigung von lästigen Spuren und das Schaffen einer politisch korrekten Identität ist sicherlich eine mühsame und schwierige Arbeit. Doch selbst das dürfte nicht ausreichend sein. Gerade für jemanden in der IT-Branche ist sogar von Nachteil, wenn man keine Spuren im Netz hat. Wenn jemand seine 10 Jahre Erfahrung mit Computern und Software anpreist, dann muß derjenige virtuelle Fußabdrücke vorweisen können, die bis ins Jahr 1998 zurückreichen. Ansonsten ist die Person unglaubwürdig. Aber wie erschafft man heute Forenbeiträge, die auf das vorherige Jahrhundert datieren? Das wäre so etwas wie die Erschaffung eines virtuellen Lebenslaufs - das 'virtuell' hat einen doppelten Sinn: digital und scheinbar. Das wäre die wirklich anspruchsvolle Aufgabe. Andere Frage: Gibt es jemand, der der dafür bezahlen würde.
Ich für meinen Teil habe da viel Glück. Vor 10 Jahren war ich Student und hatte viel Zeit, um die richtigen Spuren im Netz zu legen (wobei ich damals nicht ahnte, daß sich diese Spur so lange halten wird und als nützlich erweisen sollten). Meine ältester bei Google auffindbarer Fußabdruck stammt aus einem Usenet-Beitrag zu Thema C++ im Jahr 1998.
Vor weniger vorteilhaften Indizien habe ich keine Angst. Im Zweifelsfall gibt es noch den anderen Herbert Mückenheim, der sich für Godzilla und die Geräuscherzeugung interessiert. Damit relativiert sich die Aussagekraft des virtuellen Lebenslaufs wieder. Er ist nicht nur unvollständig, sondern kann selbst bei seltenen Namen irreführend sein. Der Name meiner Bekannten ist so häufig, daß eine Zuordnung von Suchmaschinenergebnisse zu ihrer Person reine Spekulation ist. Aber die Suchwortkombination ihres Names mit "Erfurt" liefert in den vorderen Plätzen www.typisch-tango.de und den Vereins-RSS-Feed.
PS. Den Artikel wollte ich ursprünglich mit dem Titel "Der virtuelle Lebenslauf" veröffentlichen (h1-taggen). Warum ich doch eine andere Überschrift gewählt habe, dürfte sich nach dem Lesen erklären. Ich bin jetzt gespannt, wie weit ich bei der umkämpften Suchwortkombination "Suchmaschinenoptimierung" und "Erfurt" gegen die Experten ankomme.
PS zwei. nach etwa 12 Stunden ist mein Beitrag auf Platz 51 von etwa 72.000 bei der Suche nach "Suchmaschinenoptimierung" und "Erfurt". Für einen Hobby-SEO ganz ok. Geld würde ich damit nicht verdienen können. Am 26.02. auf Platz 106 :(