Selbstgespräche

27.09.2007

Wenn früher Menschen vor sich hingemurmelt (Slang für undeutliches Sprechen) haben ohne daß ein Gesprächspartner erkennbar war, dann konnte man davon ausgehen, daß diese Personen Selbstgespräche führen. Selbstgespräche waren (und sind) nichts positiv Besetztes. Wer mit sich selbst redet, der gilt aus verrückt, plemplem, neben der Mütze, von der Rolle oder was es sonst für schöne Umschreibungen gibt.

Die Anzahl der Selbstgespräche-führenden Menschen ist scheinbar angestiegen. Das liegt aber nicht daran, daß die Welt langsam verrückt wird - diese Vermutung möchte ich hier nicht beurteilen - sondern daran, daß es wirklich nur scheinbar der Fall ist. In Wirklichkeit habe diese Menschen einen realen Gesprächspartner. Man kann ihn nur nicht sehen!

Der Leser, der an dieser Stelle etwas mystisches erwartet hat, muß ich leider enttäsuchen. Ich schreibe nicht von imaginären Gesprächspartner, spirituellen Wesenheiten oder Wahnvorstellungen sondern von banaler Technik. Während früher die Telefonhörer noch recht klobige Knochen waren, die man unschwer erkennen konnte, so ist modernes Equipment als Folge mikroelektronischer Miniaturisierung so klein geworden, daß man es leicht übersehen kann. Winzige Handy, Headsets Knopf-im-Ohr oder Freisprecheinrichtungen sind kaum noch als Telefongeräte zu erkennen, besonders wenn die benutzende Person längere Haare hat.

Die Folgen sind wie oben beschrieben: Während diese Personen ganz normal telefonieren, denken Außenstehende, hier führt jemand Selbstgespräche. Man muß schon genau hinsehen, um den wahren Sachverhalt erkennen zu können.

Das hat mich auf eine Idee gebracht: Meine Selbstgespräche führe ich natürlich stumm. Mein Mund ist geschlossen, die Lippen bewegen sich nicht und kein Laut verläßt meinen Sprechapparat. Was aber, wenn ich aus Gedankenlosigkeit im stillen Selbstgespräch plötzlich anfange laut zu reden? Die Leute würden mich für verrückt halten - zu Recht. Kann ich mir das erlauben? Stecke ich mir währenddessen einen Knopf ins Ohr oder simuliere anderweitig ein Telefonat, dann wäre alles ganz normal. Telefonieren ist nichts Verrücktes und niemand kann überprüfen, ob ich wirklich einen Telefonpartner habe oder nicht. Selbsgespräche mit dem Headset sind fast ein Telefonat.

Wenn man es genau betrachtet, dann ist das sogar eine Empfehlung für die Vieltelefonierer und Schein-Selbstgespräche-Führer. Wenn man auf das Telefonat verzichtet, dann spart man erstmal eine Menge Gesprächsgebühren. Außerdem gibt es niemand, der einen im Redefluß unterbrechen kann und man muß auch nicht auf die Argumente des Gegenüber eingehen. Ok: Letzteres Argument dürfte für viele kein Argument sein, weil sie es sowieso nicht tun. Wer jetzt einwenden mag: "Aber dann gibt es niemand der einem zuhört!" der scheint eine sehr optimistische Grundhaltung dem Telefonieren und dem Gesprächspartner gegenüber zu haben. Hört denn bei einem Telefonat wirklich jemand zu?

Der Artikel dürfte sich damit erschöpft haben, obwohl er im Vergleich zu den anderen recht kurz ist. Wenn jetzt jemand fragen sollte, wie ich auf diese Idee gekommen bin, kann ich klar antworten: Bei einen Selbstgespräch über Selbstgespräche.