Rucksack oder Rollkoffer?

17.08.2007

Also ich gebe es zu: Ich habe das Buch von Frau Kuttner gelesen = dieses obladendünne - richtig in inhaltlich Hinsicht - Druckwerk, in dem Frau Kuttner freimütig Antworten auf Fragen liefert, die sich mir bisher meist so nicht gestellt haben. Eine der Fragen hat sich in meinem Kopf festgesetzt, weil sie mir in abgewandeldeter Form häufig begegnet. Es ging um die Frage: "Rucksack oder Umhängetasche - was ist besser?" Was folgte, war ein bedingungslosen Plädoyer der Autorin für die Umhängetasche, mit Argumenten, die ich alle nicht so recht nachvollziehen konnte. Aber ich will mich auch nicht mit dieser Frage beschäftigen sondern mit der Frage: "Rucksack oder Rollkoffer - was ist besser?"

Vorwegnehmend muß ich erläutern, warum ich die Fragestellung geändert habe. Als beruflich Vielreisender gehöre ich auch zu dem Personenkreis, der eine gewisse Grundausstattung für einige Übernachtungen im Hotelzimmern mit sich herum führt und dabei die Deutsche Bahn dabei als Transportmittel benutzt. Stellt sich also die Frage, welches Gepäckstück man für seine Habseligkeiten mit verwendet. Man muß klar zugeben, daß in diesem Marktsegment der Rollkoffer für etwa 90% der Reisenden das Mittel der Wahl ist. Die Umhängetasche kommt hier aufgrund der begrenzten Kapaziät nicht tragen, außer man beschränkt sich äußerst spartanisch auf kaum mehr als die Zahnbürste. Eine echte Alternative zum Rollkoffer ist dagegen ein geräumiger Rucksack, welcher aber außer bei Personen in studentischer Tradition kaum Anhänger findet. Warum eigentlich?

Beim Überlegen welche Vorteile beim Rollkoffer gegenüber dem Rucksack zum Tragen kommen (rsp. zum Rollen), fällt mir gar nicht soviel ein. Und ich hatte auf den langen Reisen wirklich viel Zeit mich mit dieser Frage ausgeiebig zu beschäftigen.

Einer der Vorteile des Rollkoffers liegt sicher darin, daß man ihn eben nicht tragen. Wie der Name schon sagt: Er rollt - zwar nicht alleine aber ausreichend um nicht die gesamte Laste auf den eigenen Schulter zu haben. Das ist aber nur bei einigermaßen ebenen Gelände und festem Untergrund zutreffend - aber ausreichend häufig, wenn man sich vorweigen in urbanen Gebieten bewegt. Aber selbst dort gibt es Treppen auf denen der Rollkoffer weder herunter und schon gar nicht hoch rollt. Man muß den Rollkoffer manchmal doch tragen - also die Last schultern. Wenn man so leichtsinnig war und etwas mehr Last in den Koffer gepackt hat - weil man es ja meistens nicht tragen muß - dann kann auch eine kleine Treppe zu einer großen Hürde werden.

Ein anderer Vorteil des Rollkoffers ist eher ein Nachteil des Rucksacks: Die Tatsache, daß feiner Zwirn - beispielsweise ein guter Anzug - von einem Rucksack leicht zerknittert werden kann. Hier hat der Rucksack eine einedeutige Schwäche.

Ansonsten fallen mir Argumente zugunsten des Rucksacks ein. Auf jeden Fall ist man unabhängig von der Beschaffenheit und Struktur des Geländes. Ob nun sandiger, schwammiger, matschiger, unebener oder wie auch immer gearteter Boden - ein Rucksack läßt sich überall gleichermaßen gut tragen = ganz im Gegensatz zum Rollkoffer, der einem eine starke Affinität zu zivilisiertem, glatten Untergrund auferlegt.

Ein wesentlicher Vorzug des Rucksacks ist die Tatsache, daß man beide Hände frei hat. Das erleichter vieles. Denn Rollkoffer kann man auch abstellen, um die Hände frei zu bekommen aber damit erleichtert man Dieben das Handwerk. Aber auch in Situationn in denen man die Hände zu Tragen weiterer Gegenstände benötigt, ergibt sich beim Rucksack keine Hürde - sehr wohl aber beim Rollkoffer, der gerade mal eine Hand frei läßt.

Ganz zu Schweigen von den schönen Reisen in den man nicht Gegenstände sondern den oder die Liebste an der Hand führen möchte. Rucksackreisende haben hier die freie Auswahl. Rollkofferzieher müssen ihre Gepäckstücke symmetrisch in die Hand nehmen um passenderweise die andere Hand für den Partner zu haben. Dann wird ein Seitenwechsel zu einem logistischen Meisterwerk: Beide wechseln die Seite und gleichzeitig jeder die Hand zum Ziehen des Rollkoffers.

Aber auch aus ergonomischer Sicht scheint mir der Rucksack von Vorteil. Er belastet zwar Rücken und Wirbelsäule aber symmetrisch und auf körperformgerechte Art. Beim Rollkoffer werden Körper und Wirbelsäule nur einseitig belastet. Wenn der Griff des Koffers nicht hoch genug ist, muß man noch haltungschädigender Weise schräg laufen. Das kann nicht gesund sein.

Aber auch eine scheinbare Kleinigkeit fällt für mich bedeutsam ins Gewicht: die Geräuschentwicklung! Adäquates Schuhwerk vorausgesetzt kann man sich mit einem Rucksack ohne lästige Nebengeräusche bewegen. Dagegen rattern die Rollkoffer in einer nervenaufreibenden Art, die zumindest mir die Fortbewegung zu einem Gräuel macht. Wenn jeder Reiseden in der Bahnhofshalle meine Gegenwart anhand der Klackern kleiner Roller über Fliesenfugen nachvollziehen kann, dann entspricht das nicht meine Art von Aufmerksamkeitserheischung. Es beruhigt mich auch nicht, wenn dutzende andere Personen vergleichbare Laute erzeugen.

Alles in allem komme ich zu dem Schluß, daß ein Rollkoffer keine brauchbare Alternative für mich gegenüber einem tragefreundlichen Rucksack hat. Dabei habe ich gar nicht die Jugendlichkeit erwähnt, mit der man eine Rucksack im kühnen Schwung auf eine Sitz werfen kann. Als Rollkofferzieher ist man dafür nicht nur zu etabliert, es geht mit dem Teil auch gar nicht. Also bleibe ich bei meinem Rückenbeutel.

Ergänzung vom 21.08.07: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Für Leute, die sich absolut nicht entscheiden können, gibt es den Rollkofferrucksack. Teuer sind die Dinger, aber vielleicht hat jemand einen Realtestreport.